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1. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 64

1911 - Erfurt : Keyser
— 64 — Monate nach ihr schied auch die deutsche Gräfin, welche ihrem Gemahl noch drei Kinder geschenkt hatte, aus dem irdischen Leben. Sie wurde ihrer vorangegangenen schwesterlichen Freundin zugesellt. Der Graf selbst verschied im 60. Lebensjahre, und seine Kinder, zwei Söhne und drei Töchter, ließen ihn zwischen den beiden Frauen bestatten, auch für alle drei einen herrlichen Grabstein künstlich Herrichten, darauf ihre Bildnisse zu ersehen sind. Später ist ihr Stein vom Skt. Petri-Berge herabgebracht und im Dome zu Ersurt ausgerichtet worden, ein redender Sagenzeuge sür alle kommenden Jahrhunderte. (Nach L. Bechstein.) 20. Der Kinderfcmz. Von Erfurter Sagen ließe sich allein ein Buch süllen; es gibt deren sehr viele, sehr schöne und sehr schaurige. Ersurt, des Thüringer Landes uralte Hauptstadt, ward früh von der Poefie geküßt und bekränzt. a) Schon im Jahre 1212 war eine wunderbare Erregung unter die Kinder in Thüringen und Sachsen gekommen. Ein Knabe wandelte durch Städte und Dörfer und sang ein Kreuzlied. Sein Inhalt war, Christus wolle ihnen sein heiliges Kreuz, das noch in Türkenhänden fei, zu eigen geben. Da faßte alle Knaben, die ihn fingen hörten, eine Betörung, das Kreuz zu erobern. Sie traten in großen Haufen die Reise gen Jerusalem an, und weder gute noch böse Worte, weder Bitten noch Banden, weder Sanftmut noch Schläge hielten sie zurück. Die Mehrzahl der armen Kreuzfahrer kam schon in den Schweizer und Tiroler Alpen durch Frost und Hunger um, und die so glücklich waren, Schiffe zu erreichen, verdarben durch Sturm und Wellen. b) Im Jahre 1237 am 15. Juni ereignete sich eine gar wunderbare Begebenheit. Ueber 1000 Erfurter Kinder vereinigten sich zu einem großen Reigen. Sie zogen durch das Löbertor dem Steiger zu und die Höhe auf dem alten Wege hinan, über Waltersleben, Eischleben, Ichtershausen und Rudisleben, immer tan zend und singend. Gegen den Abend kamen sie sehr müde nach Arnstadt, wo sie von den Bürgern, die gar nicht wußten, was dieser Kinderzug bedeuten solle, ausgenommen wurden. In Ersurt aber entstand Schrecken und Jammer, denn in zahllosen Häusern wurden die Kinder vermißt. Niemand wußte, wo sie geblieben und wohin sie gekommen waren, bis die Botschaft von Arnstadt kam, daß die Kinder dort seien. Da wurden am andern Morgen viele Wagen angespannt und die Kinder wieder geholt. Den Arn-städter Bürgern wurde viel Dank gesagt, auch eine Spende in den Dom gestiftet. Niemand aber wußte zu sagen, was die Kinder verleitet, so weit fortzuziehen ohne Urlaub und Wegkunde. Auch blieben viele dieser Kinder hernach bleich und krank und zitternd, waren stets müde und hinfällig. Ihr Tanz war eine Volkskrank-

2. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 10

1911 - Erfurt : Keyser
— 10 — Ankunft des Leichenzuges: Längst ist der Frühling ins Land gezogen. Die Erde hat sich in ihr blühendes, duftiges Gewand gekleidet, und Wald und Flur sind belebt von einem munteren Vogelvölkchen; sonst aber ist es feierlich still. Nahe am Bache stehen mehrere Männer in leise geführtem, ernstem Gespräch. Emer von ihnen blickt, um die Zeit zu messen, zur Sonne. Auf seine Bemerkung halten die andern prüfende Ausschau. Dann streckt der eine die Hand dorthin, der andere in entgegengesetzter Richtung, der dritte nach Süden, und von allen Seiten sieht man, hier vereinzelt, dort in Gruppen, Menschen dem Tale zuschreiten, Männer und Weiber, Knaben und Mädchen. Plötzlich kommt größere Bewegung in die Menge der Anwesenden. Alle Köpfe wenden sich nach Süden. In feierlichem Zuge nahen sich die Leidtragenden mit der Leiche des Häuptlings von der Höhe des Rockhäuser Berges herab. Ueber den leblosen Körper ist ein Linnentuch gebreitet. Sechs Männer tragen das Brett, das als Bahre dient. Vor dem Toten schreiten die zahlreichen Diener und Dienerinnen, Gefäße der verschiedensten Art tragend, die aus Erde gefertigt sind, bauchige Urnen, weite Schalen und flache Schüsseln. Unmittelbar vor der Leiche gehen zwei Diener, die das Bronzeschwert und den mit Bronzeplatten und feinen Nägeln aus demselben Metall prunkend beschlagenen Schild tragen. Zunächst hinter den Trägern schreitet die Witwe des Verstorbener^ ihr folgen die übrigen Versippten. Sie ist eine hohe, schlanke Frau von edler Haltung; ihr Antlitz zeigt tiefen Schmerz.' Heute trägt sie nichts von dem sonstigen reichen Bronzeschmuck; kerne wertvollen Bronzeringe zieren ihren Oberarm, keine bronzenen Zierplatten schmücken die Brust, keine der oft snßlangen Bronzenadeln dient dem langen Linnengewand als Hafte. Das Begräbnis: An einem bevorzugten Platze des Fried-Hofes setzen die Träger das Brett mit dem Leichnam nieder. Ein Greis, den die Kleidung vor den übrigen auszeichnet, tritt jetzt vor. Es ist der Richter in streitigen Sachen und zugleich der Priester für die ganze Niederlassung. Er wendet das mit langem Barte geschmückte Gesicht der östlichen Himmelsgegend zu und spricht ein Gebet; denn dieses Volk verehrt ein höheres Wesen und glaubt an ein Fortleben im Jenseits. Dann wendet er sich zu den Umstehenden und hält dem Geschiedenen eine Gedächtnisrede. In den Mienen der Zuhörer ist zu lesen, daß die Worte des Redners den Tatsachen entsprechen. Nun legen die Träger den Toten auf den sorgsam geebneten Boden einer mäßig tiefen Gruft und Diener führen das Lieb-lingspferd herbei. Ein dumpfer Schlag ertönt. Wie vom Blitze getroffen, stürzt das Roß zu Boden. Betäubt, empfindet es nicht, daß fein Blut dahinrieselt. Als das letzte Lebenszeichen erloschen, legen die Männer das Tier dem Verstorbenen zur Seite; er soll im Jenseits nicht ohne sein erprobtes Roß sein.

3. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 34

1911 - Erfurt : Keyser
— 34 — kamen ihren Feinden zuvor. Sie gingen sofort zum Angriff auf die Königsburg über. In ihrer Sicherheit halten die Thüringer unterlassen, Wachen auszustellen. Ohne irgend einen Widerstand gelang es darum den Sachsen, die Burg in der Nacht zum 1. Oktober 531 zu nehmen. Die im tiefen Schlafe liegenden Thüringer wurden entweder niedergemetzelt oder gefangen genommen. König Jrminsrid mit seiner Familie und einem kleinen Gesolge entkam dem Blutbad. An den nächstfolgenden drei Tagen feierten die Sachsen ein großes Siegesfest. Aufteilung Thüringens: Der Kampf war durch das Ein- greifen Der Sachsen beendet, und Theodorich mußte nun gute Miene zum bösen Spiel machen und ihnen Nordthüringen zu freiem Eigentum als Siegesbeute abtreten. Er selbst behielt alles Land südlich der Unstrut, der Helme, des Sachsgrabens bei Wallhausen und des Harzes. Die unterjochten Thüringer mußten von nun an einen jährlichen Schweinezins, man sagt 500, an die königliche Kammer zu Metz entrichten. Untergang des Thüringer Königshauses: Wohl war Jr-minsrid mit den Seinen entkommen, aber Theodebert, Theodorichs Sohn, lockte ihn ins Frankenland, und hier soll er durch einen Sturz von der Stadtmauer, an dem jener wohl nicht ganz unschuldig war, getötet worden sein. Amalaberga dagegen war mit ihren Kindern nach Italien zu ihrem Bruder geflohen. Ihr Sohn Amalafrid kam später nach Konstantinopel und wurde Feldhauptmann im Heere des oströmischen Kaisers Jnstinian, der ihn sehr hoch schätzte. Berthar, der dritte Sohn König Bisinos, hat zu seinem Bruder Jrminsrid sicher in einem freundschaftlichen Verhältnis gestanden. Zwar berichtet die Sage, daß dieser ihn aus dem Wege geräumt habe. Doch ist diese Angabe eben sagenhaft; denn Radegunde, die Tochter König Berthars, könnte doch nicht in einem Gedichte, das der römische Dichter Fortnnatns in ihrem Aufträge niederschrieb, den Untergang des Hauses ihres Oheims mit folgenden Worten beweinen: „Nimmer vermag ich in fremdem Gebiet nach Gebühr zu beweinen Unser Geschick; der Schmerz löste zu Tränen mich auf. Jeglichen hab' ich beweint, ich allein; denn es wurde des Ganzen Unaussprechliches Leid einzig mir Aermsten zuteil. Günstiger fiel den Männern das Los, sie sanken im Kampfe; Ich, die einzige, blieb, sie zu beklagen, zurück." Berthar ist gefallen im Streit, möglicherweise sogar in der Schlacht an der Oker, fechtend an der Seite seines Bruders. In dieser Schlacht wurde Radegunde von den Franken gefangen genommen und samt ihrem Bruder dem König Chlotar als Beute zugesprochen. Dieser ließ sie in sein Reich führen und nahm sie später zur Gemahlin. Sie starb 587 zu Poitiers in Frankreich.

4. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 35

1911 - Erfurt : Keyser
— 35 — „Und so starben mir Aermsten dahin die lieben Verwandten, Und mein Königsstamm nahet dem Ende sich mm." Nie wieder hat es ein Königreich Thüringen gegeben. Der Name Thüringen ist zwar geblieben, aber er gilt heute nur noch für ein wesentlich kleineres Gebiet. (Nach G. Größler.) 10. Radegunde, Prinzessin von Thüringen, Königin von Frankreich. Jugend: Radegunde, König Berthars Tochter und Enkelin Bisinos, kam schon früh an den Hos ihres Oheims Jrminfrid. Da die Mutter gestorben war, hielt es der Vater wohl für geraten, seiner hochgebildeten Schwägerin Amalaberga die Tochter zur Erziehung zu übergeben. Auch den Vater verlor Radegunde bald. Wir wissen zwar nicht, in welchem Kampfe er getötet wurde, doch ist er schon vor Jrminfrid gefallen. In einem zweiten Liede „An Artachis"1) läßt Radegunde Fortnnatns für sich sprechen: „Erst ist der Vater gefallen, ihm folgte der Onkel im Tode, Beider Geliebten Verlust traurige Wunden mir schlug." Auf Burg Scidingi verlebte Radegunde sonnige Tage der Kindheit in Gemeinschaft mit ihrem Vetter und Jugendgespielen Amalasrid. J'n dem Briefe „An Amalasrid"2) gedenkt sie der glücklichen Jugend: „O, so gedenke doch nur, was in Frühlingstagen der Jugend, Lieber Amalasrid, ich, Radegunde, dir war. Wie du mich damals geliebt, ein hold ausblühender Knabe, Du, den des Himmels Huld gütig zum Vetter mir gab. Damals ersetztest du mir den gemordeten Vater, die Mutier, Schwester und Bruder, du warst alles, du Einziger, mir! Wenn du mich nahmst in den liebendenarm, wenn küssend ich an dir Hing, ergötzte das Kind höchlich ein freundliches Wort. Eine Stunde getrennt von dir, zum unendlichen Zeitraum Ward sie mir." — In fränkischer Gefangenschaft: In dem Kriege Jrminsrids mit den Franken wurde sie von den Feinden gefangen genommen und mit ihrem Bruder eine Beute des Königs Chlotar. Sie war damals gegen 10 Jahre alt. Chlotar ließ sie in sein Reich bringen und auf einem feiner Meierhöfe von den besten Lehrern unterrichten. Damals schon las Radegunde am liebsten die Bibel und die Lebensbeschreibungen der Heiligen. Sie sollten ihr das Vorbild ihres eigenen Lebens werden; auch suchte sie durch allerlei Selbstpeinigungen Gott wohlgefällig zu fein. j) Sohn einer Tochter Amalabergas. 2) Nach einer Uebersetzung von Dr. Aug. Wilhelm. 3*

5. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 107

1911 - Erfurt : Keyser
— 107 — in einer kleinen Truhe ausgesetzt und schwimmt an die Insel Scharioth, wodurch sein Beiname Jscharioth entstanden ist. Hier wird er von der dortigen Königin ausgenommen und erzogen, als er aber seinen Pflegebruder erschlagen hat, wieder vertrieben. Jetzt kommt er nach Jerusalem zurück, an den Hos des Pilatus. Neben dem Palast des Landpflegers liegt der Garten seines Vaters Rüben mit schönen Apfelbäumen. Den Pilatus gelüstet nach den Früchten, und Judas steigt über die Mauer, um Aepsel zu stehlen. Er wird aber dabei von Rüben ertappt, setzt sich zur Wehr und — erschlägt seinen Vater. Später nimmt er seine eigene, ihm gleichfalls unbekannte Mutter zum Weibe. Diese sündhafte Tat wird entdeckt, und voll Neue geht Judas als Jünger zum Herrn, um sich seine Sünde vergeben zu lassen. Aber auch jetzt kann er von seiner Tücke nicht lassen; er geht hin und wird zum Verräter. Wird so die biblische Ueberlieferung auf den Kopf gestellt, so geschieht es mit der kirchlichen nicht minder, wie das Beispiel des Bonisacius zeigt, dessen Tätigkeit als Apostel Thüringens von einem reichen Sagenkranz umgeben ist. Als die Thüringer sich nur zum Christentum bekehren wollen, wenn Bonisacius sie von dem Zins an die Ungarn befreit, gibt er den Bittenden die Zusage. Gott hat ihm im Traume seine Hilfe zugesichert. Erfreut nehmen jetzt die Thüringer den Bischof auf und verweigern den Ungarn den Zins, worauf diese mit einem Heere gegen sie ziehen. Die Thüringer unter Bonisacius sind viel schwächer. Bei Nägelstädt an der Unstrut stoßen beide Heere zusammen. Während des Kampfes steht Bonisacius wie Moses (2. Buch Mos. Kap. 17) auf einem Berge und betet mit erhobenen Händen für die Thüringer. Die Niederlage der Ungarn ist eine vollkommene. Viele kommen in der Unstrut um, andere versinken im Moore, der Rest aber wird in die Flucht geschlagen oder getötet. Von den Thüringern fallen nur zwei, denen auf dem Unstrutriede bei Nä-gelstädt zum Andenken zwei Kreuze errichtet wurden. Wie wir sehen, sind hier die Ereignisse den säst 200 Jahre späteren unter Heinrich I. gleich gestaltet. Als ein bezeichnendes Beispiel sür den krassen Aberglauben der damaligen Zeit kann die von Stolle erzählte Geschichte von einem Halsbande gellen. Der zweite Ratsmeister von Erfurt, Friedrich Reinboth, war mit feinem Schwager Wilhelm von Allenblumen in Erbstreitigkeiten geraten (1492). Als Allenblu-men, der nach Leipzig verzog, dort gestorben war, wollten sich seine Kinder an ihrem Oheim rächen. Sie sandten einen verkommenen Edelmann mit einem Halsbande aus, das aus Eisen gefertigt war und viele Gelenke und Stacheln inwendig hatte, ein über die Maßen köstlich und gefährlich Kleinod. Wer das an seinen Hals kriegte, mußte innerhalb 10 bis 12 Tagen sterben. Auch konnte niemand dasselbe ohne Schlüssel aufmachen, auch niemand

6. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 133

1911 - Erfurt : Keyser
— 133 — Gehorsams durchgemacht. Selbst das Leben in Armut, die geringe Kost und das häufige Fasten fielen ihm nicht schwer, da er kein verwöhntes Muttersöhnchen war. Der Novizenmeister hatte an ihm einen guten Schüler und dieser an jenem einen freundlichen Lehrer. Nie hat derselbe es nötig gehabt, seinen L-chüler zu tadeln. Er befürwortete darum nach Verlauf des Jahres die Ausnahme Martins in den Orden. Ausnahme: Heute noch ist im hohen Chor der Augustiner- kirche die Stelle zu sehen, die Luther bei seiner Prosetzleistung lang hingestreckt berührt bat. Auf dem damals unmittelbar vor dem Hochaltar gelegenen Grabmal des Angustinerpaters Johannes Zachariä, der sich auf dem Konzil zu Konstanz den Titel eines Hus-Ueberwinders erworben hatte, lag in Kreuzesform der junge Mönch und schwur mit lauter Stimme den Eid, den ihm der Prior vorsprach: „Ich Bruder Martmus tue Proseß (Gelübde) und verspreche Gehorsam dem allmächtigen Gott und der heiligen Jungsrau Maria und dir, Bruder Winand, Prior dieses Konvents, . . zu leben ohne Eigenes und in Keuschheit gemäß der Regel des heiligen Augustinus bis an den Tod." Lutherzelle: Jetzt wurde dem Bruder Martin eine eigene Zelle zugewiesen. Kaum 3 in lang und 2 m breit, hatte sie nur Raum für einen Tisch, einen Stuhl und eine Lagerstatt, letztere mit einem Strohsack und einigen wollenen Decken. Durch das einzige Fenster sah der junge Mönch aus seine letzte Ruhestätte, den Begräbnisplatz der Brüder, der rings vom Kreuzgang eingeschlossen wurde. (Zelle im evg. Waisenhaus.) Die erste Messe: In diesem engen Raum mußte sich Bru- der Martin aus das Priesteramt vorbereiten, für welches ihn seine Vorgesetzten bestimmt hatten. Er tat es mit Furcht und Zittern und unter Gebet und Fasten, da er sich sür unwürdig und un- fähig zu solch hoher Stellung hielt. Am 2. Mai 1507 las er zagend feine erste Messe, und, als er die Hostie in der Hand hielt, durchlies ihn ein Schauer. Beinahe hätte er noch während der heiligen Handlung den Altar verlassen, wenn ihn nicht sein Lehrer daran gehindert hätte. Als aber alles wohlgelungen war, da sühlte er eine hohe Freude. Sie wurde noch vermehrt durch die Anwesenheit seines Vaters, der mit einem stattlichen Gefolge von Freunden und Bekannten auf 20 Rossen nach Ersnrt gekommen war. Er ehrte den Sohn durch eine Gabe von 20 Gulden und nahm teil an dem der Messe folgenden Festmahle. Ueber Tisch sprach Bruder Martin zu seinem Vater: „Lieber Vater, warum habt Ihr Euch so hart dawider gesetzt und wäret also zornig, daß Ihr mich nicht gerne wollet lassen ein Mönch werden und vielleicht noch itzo nicht allzu gerne sehet? Jst's doch so ein fein geruhsam und göttlich Leben!" Da antwortete der starrköpfige Alte, der noch immer unmutig über den Schritt feines Sohnes war, offen und ebrlich mit der Gegenfrage: „Ihr Gelehrten,

7. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 63

1911 - Erfurt : Keyser
— 63 — Glaube jedem Manne gestattet, so viele Frauen zu nehmen, als er ernähren kann. Und die Liebe der Jungfrau und die Hoffnung auf Befreiung bezwangen den Grafen. Er gab endlich der Sultanstochter das Versprechen, sich mit ihr ehelich zu verbinden, wenn sie ihm die Freiheit verschossen und ihm folgen wolle. Die Liebe der Jungfrau wußte alle Schwierigkeiten, die sich dem Fluchtplane entgegenstellten, zu überwinden. Flucht und Heimkehr: Mit Schätzen reich versehen, ent- flohen beide ans einem Schisse und kamen nach sechswöchentlicher Fahrt zu Venedig an. Hier fand der Graf seinen liebsten und vertrautesten Diener, der ihn überall gesucht hatte. Er erfuhr vou ihm, daß daheim noch alles gut stehe. Ans diese Nachricht reiste Graf Ludwig ohne Verzug nach Rom und teilte dem Papste ©re gor Ix., den man den Großen nannte, sein Schicksal mit. Der Papst begnadigte den Grafen mit stattlichen Gaben, heiligte die Jungfrau durch das Sakrament der Taufe und gab dem Grafen Empfehlungsbriefe an den Kaiser mit. Gras Ludwig kehrte nun sofort über die Alpen durch Bayern und Franken nach Thüringen zurück. Als er noch zwei Tagereisen vom Schloß Gleichen entfernt war, reiste er der Sarazenin voraus. Er kam zu Weib und Kindern und wurde aufs freudigste von feiner Gemahlin wieder erkannt und willkommen geheißen. Der Graf teilte feiner Hausfrau alles mit und bewog sein Weib zu Dank und Liebe gegen die Fremde, durch die er die Seinen und sein Land wiedergesehen hatte. Wie sie sich nun der Burg näherte, zog ihr der ©ras mit seiner Gemahlin und seinen zahlreichen Freunden, die von allen Seiten zur Begrüßung herbeigeströmt waren, mit großem Festgepränge entgegen, holte sie feierlich ein und führte sie wie im Triumphe in die Burg. Die Stätte der ersten Begegnung am Bergesfuße, an welcher beide Frauen einander schwesterlich umarmten und küßten, wurde alsbald „Freudenthal" genannt, und der längst verwahrloste, jetzt schnell hergestellte Weg zur Burg hinan hieß fortan „der Türkenweg" (Bilder im Rathaus). Inniges Familienleben: Jederzeit hat die Gräfin von Gleichen die Sarazenin als ihres geliebten Herrn Erretterin geehrt und geliebt, und letztere hat diese Liebe durch Demut und Freundlichkeit vergolten. Niemals ist gehört worden, daß irgend ein Mißverständnis oder eine Klage zwischen den beiden Gemahlinnen des Grafen entstanden, sondern jede hat ihren Herrn in Einigkeit und Freundlichkeit allezeit lieb und wert gehabt. Die Sarazenin war mit hoher Schönheit geschmückt, aber es blieben ihr Kinder versagt, umsomehr liebte sie die Kinder der deutschen Gräfin und trug für deren Wohlergehen die fleißigste Sorge. Sie war ein Muster aller Frömmigkeit, aller Würde, aller Demut, aller Holdseligkeit und Freundlichkeit. Gemeinsames Grab: In ziemlich hohen Jahren starb sie und wurde im Skt. Petri-Stist zu Erfurt feierlich beigesetzt. Zwei

8. Bergers Erzählungen aus der Weltgeschichte - S. 234

1902 - Karlsruhe : Lang
— 234 — Scharen nicht mehr zu schützen vermochten, biente biefer große Steinwall als Zufluchtsort. Hinter die Heidenmauer retteten die flüchtigen Bewohner ihr Vieh und ihre Habe. Als die Einfälle immer häufiger würden, erbaute man innerhalb des Steinwalles Wohnsitze. Tie Heibenmauer umgibt die Bergfläche des Obilienberges vom Mänuelfteiu bis zur Ruine Hagelschloß; eine Umwanberung derselben bauert drei Stnnben. Sie besteht aus rohen Sanb-steinblocken, die meist viereckig zugehauen und ohne Mörtel aus-einanber geschichtet sind. Die Breite der Mauer beträgt 1,70 in, die Höhe schwankt zwischen 2 und 3 m. Obilienberg heißt der ganze Bergrücken; im engeren Sinne wirb barunter auch nur das Kloster verstauben, das im 8. Jahrhundert unter dem Namen Altitona, später unter dem Namen Hohenburg erscheint. 3. De^r Herzog Attich und die hl. Odilia. Auf Hohenburg herrschte vor mehr denn 1200jahren der rauhe und gestrenge Herzog des Elsasses, Attich, (Stich oder Eticho mit Namen. Seinen Wohnsitz hatte er für gewöhnlich zu Oberehnheim, einem kleinen Städtchen am Fuße des Odilienberges. Ter liebe Gott schenkte dem Herzog ein Kindlein; büch der Vater wollte nichts von ihm wissen; es war ein schwaches Mäbchen und noch dazu blind. Ter Grausame schwur, daß solch' ein Wurm sein adeliges Geschlecht nimmer schänden dürse, und wollte es töten lassen. Aber die liebende Mutter wußte Rat und rettete ihr Kind in das Stift Palma, heute Beauine-les-Dames genannt. Der Bischos Erhard taufte das Mägdlein, und während der hl. Handlung schlug es die Augen auf und war sehend. Die Klostersrauen erzogen den anvertrauten Schatz sorgfältig, und balb erblühte Odilia zur lieblichen Jungfrau. Nachdem sie erfahren hatte, welches Standes sie sei, faßte eine unwiderstehliche Sehnsucht nach der Heimat, nach der Mutter ihr Herz. In einem Briese wandte sie sich an ihren Bruder Hugo mit der Bitte, daß er ihr die Erlaubnis zur Rückkehr erwirken möge. Der Vater wollte davon nichts wissen. Die Bruderliebe war jedoch mächtiger in Hugo als der kindliche Gehorsam. Er schickte ihr einen Wagen und Geleite in der sicheren Hoffnung, der Vater werde feine Tochter nicht verstoßen, sobald er sie sehe. Vater und Sohn standen aus der Hohe des Berges; von fern nahten lieh die Burgmannen mit dem Wagen. Da teilte Hugo seinem Vetter die Ankunft Obiliens mit. Doch kein Funke von Liebe glühte in dem väterlichen Herzen. Attich ergriff sein Schwert und stieß seinen Sohn nieber.

9. Bergers Erzählungen aus der Weltgeschichte - S. 242

1902 - Karlsruhe : Lang
— 242 — mit Klugheit und Strenge vor und führte überall Zucht und Ordnung ein. Nach dem Tode des Papstes Damasus bestieg er selbst den Stuhl Petri. Barfuß und im Pilgergewande betrat er die heilige Stadt. Im Jahre 1049 wurde er mit der dreifachen Krone geschmückt und regierte die Kirche unter dem Namen Leo Ix. Unermüdlich war er als Papst tätig, aus seiner Arbeit ruhte der Segeu Gottes. Zweimal kam er aus seinen zahlreichen Reisen in das Elsaß und besuchte eine Anzahl von Klöstern wie Ottmarsheim, Ölenberg, Heilig-Krenz, St. Odilien und Andlau. Auch nach Lothringen, wo er ja seine Jugend verlebt hatte, kam er. Hier herrschte in dieser Zeit der Herzog Gerhard; er begleitete den Papst überall hin und beherbergte ihn zu Busendorf. Leo Ix. war es hauptsächlich zu verdanken, daß die elf äs fischen Herren den Gottesfrieden schlossen, einen Vertrag, der den vielen blutigen Streitigkeiten ein Ende machen sollte. Darnach war es verboten, von Mittwoch Abend bis Montag Morgen Massen zu tragen. Wer den Frieden brach, sollte mit dem Tode bestraft werden. Bon dein Papste Leo stammt auch ein eigentümlicher Brauch her. In Wofsenheim*) bei Colmar hatten die Eltern Leos ein Kloster für Benebittinerinnen gegründet und ihm viele Güter geschenkt. Leo nahm das Kloster in seinen besonderen Schutz, und dafür übernahm die Äbtissin die Verpflichtung, jedes Jahr in der Fastenzeit eine Rose Don Gold, vier Lot schwer, nach Rom zu schicken. Die Rose wurde vom Papst geweiht und fürstlichen Personen, die sich durch besondere Verdienste um die Kirche auszeichneten, zum Geschenke gegeben. Aus der Jugendzeit wie aus dem höchsten ©reisenalter Leos wird manche schöne Sage erzählt. Seinem Vater Hugo war von einer alten Frau geweissagt worden, er werde einst seinem Sohne den Staub von den Füßen küssen. Der Vater deutete die Worte dahin, daß sein Sohn ihn später der Herrschaft berauben werde. Er übergab deshalb das Kind einem Jäger, der es töten sollte. Dieser schonte das Knäblein und brachte dem Grafen das durchschossene Herz eines Rehbocks. Den Grafen Hugo reute aber bald seine Tat, und nach vielen Jahren der Trübnis und der Leiden ging er nach Rom, um dem hl. Vater seine Sünde zu bekennen. Zerknirscht wars er sich vor dem Papste nieder, flehte um Verzeihung und küßte seine Füße. Da erkannte Leo seinen Vater, hob ihn gerührt ans und gab sich zu erkennen.**) In den letzten Jahren seines Lebens kämpfte er mit den *) Von dem ehemaligen Dorfe ist nichts inehr vorhanden^ an seiner Stelle steht noch das „Wnffemer Kreuz" zwischen Heiligkreuz u. Sundhosen. **) Vergl. im Anhang das Gedicht: Gras Hugo von Egisheim.

10. Bergers Erzählungen aus der Weltgeschichte - S. 285

1902 - Karlsruhe : Lang
285 4. Zu Quedlinburg vom Tome ertönt die Mitternacht, Vom Priester ward das Opfer der Messe dargebracht. Es beugen sich die Kniee, es beugt sich jedes Herz; Gebet in heil'ger Stunde steigt brünstig himmelwärts. 5. Ta öffnen sich die Pforten, es tritt ein Mann herein; Es hüllt die starken Glieder ein Büßerhemde ein. Er schreitet auf den Kaiser, er wirft sich vor ihm hin; Tie Knie er ihm umfasset mit tiefgebeugtem Sinn. 6. „C Bruder, meine Fehle, sie lasten schwer auf mir; Hier liege ich zu Füßen, Verzeihung flehend, dir! Was ich mit Blut gesündigt, die Gnade macht es rein; Vergib, o strenger Kaiser, vergib, dn Bruder mein!" 7. Toch strenge blickt der Kaiser den sündigen Bruder an: „Zweimal hab' ich vergeben, nicht fürder mehr fortan! Tie Acht ist ausgesprochen, das Leben dir geraubt; Nach dreier Tage Wechsel, da süllt dein sündig Haupt!" 6. Bleich werden rings die Fürsten, der Herzog Heinrich bleich. Und Stille herrscht im Kreise, gleich wie im Totenreich. Man hätte mögen hören jetzt wohl ein sollend Laub; Tenn keiner wagt zu wehren dem Löwen seinen Raub. 9. Ta hat sich ernst zum Kaiser der fromme Abt gewandt; Tas ew'ge Buch der Bücher, das hält er in der Hand. Er liest mit lautem Munde der heil'gen Worte Klang, Taß es in aller Herzen wie Gottes Stimme drang: 10. „Und Petrus sprach zum Herreu: Nicht so genügt ich hab', Wenn ich dem sünd'gen Bruder schon siebenmal vergab? Toch Jesus ihm antwortet: Nicht siebenmal vergib, Nein, siebenzigmal sieben, das ist dem Vater lieb." 11. Ta schmilzt des Kaisers Strenge in Tränen unbewußt; Er hebt ihn auf, den Bruder, er drückt ihn an die Brust. Ein lauter Ruf der Freude ist jubelnd rings erwacht. — Nie schöner ward begangen die heil'ge Weihenacht. i Mühler. Der Kampf um Lotharingen. (978 n. Chr.) Beschisste Ströme schlingen eich eng um deinen Rand. 1. Tn altes Lotharingen, Tu reichbegabtes Land, 3. Einst trug Lothar, der Franke, Gelüsten nach dem Land Und brach in feine Schranke, Tas Schwert in frecher Hand. 2. Schön zieren schlanke Reben Tein sanftes Berggesild, Und deine Wälder geben Viel schmuckes Vieh und Wild. 4. Er saß beim Siegesmahle, Wo deutscher Wein chm floß, Zu Aachen in dem Saale Aus Karls des Großen Schloß.
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